To The Point
Firmentreue – Ein Handicap?

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FIRMENTREUE - EIN HANDICAP ?

Erstabdruck
 Schweizer Bank 10/99

O tempora mutantur, et nos mutamur in illis. Die Zeiten ändern sich und wir uns mit ihnen. Diese Weisheit war schon den alten Lateinern ein Lament wert. Nichts bleibt wie es war, aber mir scheint die Kadenz der Wechsel erhöhe sich exponential.

 Noch vor wenigen Jahren haben Firmen sich die besten Spezialisten geholt um Pläne zu entwerfen, die die Firmentreue und Loyalität der Arbeitnehmer garantieren sollen. Da wurden goldene Uhren, Aktienoptionen, Silberschalen etc. verteilt je nach Anzahl Jahre die ein Arbeitnehmer bei derselben Firma verbracht hatte. Die Lokalzeitungen brachten ein kleines Bild mit Text um den Mitarbeiter zu ehren und die Kollegen richteten einen Umtrunk ein. Und alles war gut.

 Firmen die ein Problem mit der Arbeitnehmerfluktuation hatten wurden verschrien und setzten vieles daran ihr Image aufzubessern.

 Eine Firma zum Beispiel erkannte, dass Ihre Kaderleute auf Direktionsstufe mit Alter 40 und einer ansehnlichen Anzahl Dienstjahre einen neuen, stabileren Arbeitgeber suchten. Die Kaderleute hofften, einen neuen Arbeitgeber zu finden, dem Sie bis zur Pensionierung treu sein könnten. Die betroffene Firma entwarf eine ausgezeichnete Frühpensionierungs-komponente in ihrem Pensionskassenplan. Dieser ermöglichte den Kaderleuten noch 10 bis 15 Jahre treu bei der Firma zu bleiben, und dann finanziell abgesichert in Pension zu gehen. Der Firma war die Erfahrung und das Wissen dieser Kaderleute einiges Wert. Die Rechnung der Firma ging auf, die betroffenen Kaderleute liessen sich vom neuen Plan überzeugen und blieben der Firma treu.

 Mittlerweile haben sich die Zeiten geändert. Die Hochschulen lehren ihren Absolventen dass sie innert 7 bis 8 Jahren nach Abschluss zwei Arbeitgeber mit verschiedenen Jobs durchlaufen müssten. Andernfalls werden sie als unflexible oder langsame Karrierehocker verschrien.

 Die Firmen haben sich neu ausgerichtet. Die neuesten Technologien und das aktuellste Wissen ist gefragt. Erfahrung hat in den wenigsten Fällen mehr das Gewicht, das es einmal hatte. Fusionen machen neue Talente notwendig, Firmen richten sich total anders aus, Produktionen werden ins Ausland verlegt, Synergien mit Partnern werden gesucht und neue Werte werden wichtig. Eine Stelle auf Lebenszeit kann kein Arbeitnehmer mehr erwarten.

 Was bis vor kurzem eine Tugend war, Loyalität zum Arbeitgeber, wir nun mit scheelen Augen angesehen. Kandidaten auf dem Arbeitsmarkt mit 15, 20 oder sogar mehr Dienstjahren bei der selben Firma bekommen schnell den Stempel: Unflexibel, festgefahren, immobil etc. Die Gründe für die Firmentreue werden nebensächlich, die neue Managergeneration interessiert sich nicht dafür, sondern nur für den Leistungsausweis. Solange der stimmt, hat der Kandidat durchaus Chancen. Seine gesammelten Erfahrungen werden jedoch in den wenigsten Fällen den Ausschlag für eine neue Stelle geben.

 Was ist nun bei unserer Firma mit der Frühpensionierung geschehen? Sie ging ebenfalls mit der Zeit. Die Attraktivität des Planes wurde abgeschwächt und aus einer goldenen Fessel wurde ein zartes Seidenbändchen. Einige glückliche Mitarbeiter konnten noch vom ursprünglichen Plan profitieren, andere, marginal jüngere, mussten sich mit den neuen Tatsachen abfinden.

 Es sind nun wieder Compensation-Spezialisten gefragt, aber mit einer neuen Aufgabenstellung. Nicht: Firmentreue um jeden Preis und für ein Leben lang soll erreicht werden. Sondern Leistung, Treue auf beschränkte Zeit und uneingeschränkter Einsatz während dieser Dauer sind jetzt das Ziel.

 Die neuen Pläne werden sehr viel flexibler sein als die hergebrachten und den Bedürfnisse der Arbeitnehmer und Arbeitgeber in dem geänderten Umfeld Rechnung tragen.

 Einige Firmen haben schon Erfahrung im sogenannten Cafeteria-Approach gesammelt. Die Firma ist bereit für einen Mitarbeiter eine bestimmte Summe Geldes einzusetzen. Der Mitarbeiter wird dann weitgehend im Rahmen eines Planes bestimmen können, wie er diese  Gelder entgegennehmen möchte. Ein Teil wird er in hergebrachten Salärzahlungen beziehen, ein weiterer Teil vielleicht als flexibler Bonus je nach Leistung und Geschäftsgang kassieren. Vielleicht ist ihm jedoch ein attraktives Aktienpaket der Firma lieber, oder er möchte eine günstige Hypothek auf sein Haus aufnehmen, in einen Sozialplan einzahlen, sich eine frühzeitige Pensionierung ermöglichen, einer betriebseigenen Krankenversicherung beitreten, mehr Freizeit haben, etc.

 Es gibt Firmen, die bezahlen nur ein Grundsalär und einen riesen Bonus bei Erfolg. Daneben bieten sie nur die aller notwendigsten vom Staat vorgeschriebenen Sozialpläne. Der Mitarbeiter kann dann selber entscheiden was er mit dem Geld erwerben will. Soziale Sicherheit über private Versicherungen, ein tolles Haus, einen schicken Wagen, eine Weltreise, eine Ausbildung für die Kinder etc. Allfinanzfirmen sehen einer goldenen Zukunft entgegen.

 Auf alle Fälle müssen die neuen Compensationspläne voll transferierbar sein, damit beide, Firma und Mitarbeiter die Freiheit haben, sich in Frieden von einander zu verabschieden, wenn es Zeit ist.  

In diesem Zusammenhang ist wohl auch angebracht etwas über die verschiedenen Pensionskassenpläne zu sagen. Die Anzahl Firmen in der Schweiz, die noch Leistungspläne offerieren schwindet je länger je mehr. Einige Firmen sind dazu übergegangen ein Kombination von Leistungs- und Beitragsplänen zu offerieren. Das Gesetz über die volle Freizügigkeit hat da wohl auch einiges beigetragen. Je länger je mehr werden Beitragspläne offeriert, die voll transferierbar sind, aber keine Endleistungen mehr versprechen. Es können ja sowieso nur noch die wenigsten davon profitieren, wenn die Leistung von Dienstjahren abhängt.

 Voraussetzung für diese neuen Pläne sind allerdings verantwortungsvolle und mündige Arbeitnehmer, die mit der neuen Freiheit auch umgehen können. Gerade diese Attribute passen hervorragend in die neuen Firmenphilosophien, die selbständige und flexible Mitarbeiter mit Eigenverantwortung und Unternehmergeist suchen.

 Die Kehrseite der Medaille sieht weniger vielversprechend aus. Wenn die Bindung der Arbeitgeber nachlässt und die Loyalität zum Arbeitgeber fehlt, ist es für Arbeitnehmer ein Leichtes von einer Firma zur anderen zu wechseln. Wo früher sogenanntes Job-Hopping ein Makel in einem Lebenslauf war, wird ein Hop zur rechten Zeit und zur richtigen Firma heutzutage positiv bewertet. Verschiedene Firmen haben das auch schon zu spüren bekommen, wo ganze Teams abgesprungen sind. Grosse Firmen können solche Verluste meist verkraften. Kleinere jedoch, KMU‘s etc. können an den Rand ihrer Existenzfähigkeit gebracht werden, wenn ein altgedienter, erfahrener Mitarbeiter sich entscheidet einem verlockenderen Angebot zu folgen. Die Lohnspirale wird sich weiterdrehen und unseren Arbeitsmarkt weiter verteuern.

 Dazu kommt die menschliche Seite. Wenn die Arbeitnehmer kein Vertrauen in die langfristigen Absichten der Firma ihnen gegenüber mehr hegen, leiden zwangsläufig die Zufriedenheit der Mitarbeiter und Kunden, sowie die Qualität der Arbeit darunter. Wenn das einzige Bindemittel der Firma nur noch in Geldwert gemessen wird, werden Arbeitnehmer ihre Leistung so koordinieren, dass sie in den maximalen Genuss der zu verteilenden Boni kommen. Zwangsläufig sind das sehr kurzfristige Ziele. Somit werden auch die Firmen kurzfristige Erfolge haben. Es gilt einen Anreiz zu finden, der die Mitarbeiter auch zu längerfristigem Denken anregt, vielleicht sogar über ihr Ausscheiden aus der Firma hinaus.

 Es wäre durchaus denkbar, zum Beispiel Aktienoptionen, die für einige Jahre gesperrt sind und meist bei Firmenaustritt verfallen, so zu strukturieren, dass der ehemalige Arbeitnehmer weiter in deren Genuss kommt. Beispielsweise wenn die Firma ein gewisses Ziel erreicht hat. Das heisst auch hier wieder, der Anreiz muss transferierbar, mitnehmbar sein.

 Wir, sowenig wie die alten Lateiner, werden die Zeit aufhalten können. Am besten fährt, wer sich schnellst möglich mit den neuen Gegebenheiten anfreundet und für sich eine geeignete Lösung findet. Alle Veränderungen sind zweischneidig. Niemand bestreitet dass es Nachteile gibt. Veränderungen beinhalten jedoch auch Gutes, man muss es nur für sich erkennen.

Firmentreue.doc